Heather Nova (Hamburg, 2017)

Die Auster öffnet sich (wieder)

 

Irgendwie hatte ich sie aus den Augen verloren. Dabei hängen überall Bilder von Heather Nova in meiner Bude; darunter ein Konzertplakat des akustischen Abends in der Grossen Musikhalle (Hamburg) aus dem Jahr 2003. Das war auch so in etwa die Zeit in der ich mich verändert habe, und sie sich auch. Unvergessen blieben jedoch die ersten Momente in der ich sie erstmals live erleben durfte. Selten hatte mich eine Aura eines Künstlers derart gepackt wie die ihre. Dazu dieser Sound: Hier zerbrechlich (Island), da brachial (Sugar). Und dann dieses Cello, das sich schwermütig in das Arrangement einfügte und dem Pop und Rock Tiefe gab.

 

Nach einer ziemlich langen Auszeit haben wir uns nun aber wieder gefunden. Als ich mitbekam, daß Nova ihr Album Oyster aus dem Jahr 1994 komplett live darbieten wird, zögerte ich nicht lang. Zusammen mit Siren (1998) gehört dies für mich zu den besten alternativen Pop-Alben der 90er-Jahre (insbesondere unter der female voices-Kategorie) und bot immer einen guten Nebenstrang zu den ganzen Grunge- und Brit Pop-Elementen jener Zeit.

 

Das Grünspan (www.gruenspan.de) in Hamburg war voll bis unter das Dach, unter dem ich mich selbst auf dem Balkon einfand, um eine bessere Sicht auf die Band zu erhalten. Kein "dickes Fell" mehr für größere Menschen sowie fremdgesteuert hochgehaltene Smartphones vor mir oder belangloses Gelaber im Rücken. Da verabschiedet sich dann meine Nächstenliebe langsam mit dem Alter.

 

Nachdem Singer-Songwriter Ed Prosek aus Kalifornien allein an der Akustik-Gitarre sanftmütig von schönen und weniger schönen Lebenserfahrungen sang (guter Auftritt), trat Heather Nova – kaum gealtert – unter tobendem Beifall mit ihrer Band auf die Bühne. Was mich besonders freute, war, daß sie die Dänin Berit Fridahl an der E-Gitarre für die Tour gewinnen konnte, die wie eh und je an ihrem Instrument zu spielen verstand und nach ein paar Songs auch freundlich mehr Licht vom Techniker einforderte, damit sie ihr Spiel auch perfekt durchbringen konnte. Neben Drums und Bass fehlte natürlich auch das Cello (manchmal auch in zweifacher Ausführung) nicht. Bei den oft wechselnden Musikern bewies Nova schon immer ein gutes Händchen – so auch an diesem Abend mit u.a. Arnulf Lindner, dem österreichischen Multi-Intrumentalisten, mit dem sie bei der Entwicklung der Live-Arrangements anscheinend eine gute Symbiose bildet.

 

Der Auftritt war zwar offiziell eine Rückschau (oder auch wertende Betrachtung von Vergangenem), kam aber absolut frisch und dynamisch daher. Nova hat nichts an ihrer Anmut und Feinheit verloren; sie achtete zudem gut darauf, daß jeder Ton sitzt und wirkte stets ganz bei sich. Die Songs von Oyster wurden (hier und da auch mal schön gedehnt) vorgebracht, als wären sie gerade erst geschrieben worden und bewegen noch immer - ganz besonders Island. Heather selbst erwähnte da sinngemäß, daß ihr die Songs aus einer mittlerweile erfahreneren Perpektive anders aber inhaltlich immer noch unverbraucht erschienen - ein seltsames Gefühl.

 

Unter der Setlist fand sich im ersten Teil auch das Stück Blind, das es damals nicht auf das Album geschafft hat (B-Seite von Walk This World). Novas Erinnerungen verblassten an dieser Stelle ob des Grundes - ein schönes Stück Musik wohlgleich; aber manchmal müssen auch schöne Dinge halt weichen, wenn es nicht passt.

 

Zwischen den mal melancholischen, mal hoffnungsvolleren Songs Oysters wurden auch Anekdoten ausgetauscht; so erinnerte sich Heather an ihre ersten Auftritte in Hamburg und erwähnte den in Hamburger Kreisen legendären Veranstaltungsort Knust – der aber bekanntlich zwischenzeitlich den Standort wechselte. Ob sie sich auch noch an das Logo erinnern kann? Davon gibt es noch ein fantastisches Bootleg. Apropos Bootleg: Nicht unerwähnt bleiben sollte, daß dieser Abend ebenfalls aber ganz offiziell mitgeschnitten wurde und auf www.heathernova.com käuflich zu erwerben sein wird. Auch Nova hat diesen Vertriebsweg für sich entdeckt – den gemeinen Live-Fan freut´s.

 

Nach der Oyster-Phase hätte das Konzert mit dem wunderschönen Doubled Up eigentlich auch schon beendet und der Besucher beseelt nach Hause geschickt werden können. Aber es folgte zum Glück noch ein Zugabenblock, der mit einer langen und druckvollen Version von Winter Blue (irgendwie mein persönliches Lieblingsstück) eingeleitet und mit I Wanna Be Your Light beendet wurde. So wurde das Konzert insgesamt gut abgerundet und wirkte nicht nur als Rückschau nach, sondern ließ auch für die Zukunft hoffen, daß noch ganz viele schöne Songs aus Novas Feder kommen werden...


 

Die Setlist

 

1 Walk This World
2 Heal
3 Island
4 Throwing Fire At The Sun
5 Maybe An Angel
6 Truth And Bone
7 Blue Black
8 Blind
9 Walking Higher
10 Light Years
11 Verona
12 Doubled Up

 

Zugaben
13 Winter Blue
14 Sea Glass
15 Like Lovers Do
16 Sugar
17 Like A Hurricane
18 I Wanna Be Your Light

 

(a.j.)

 

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