Body Count (Hamburg 2024)
South Central, Wilhelmsburg!
Der Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg wurde für einen Abend lang zu South Central, Los Angeles - zumindest vom Gefühl her. Die deutsche Vorband Slope (ein recht ordentlicher Hard Core-Funky-Metal-Dingsbums-Verschnitt) und Body Count mischten die volle (gemäß Ice-T sogar 'ausverkaufte') Inselpark Arena für ein paar Stunden soundtechnisch ordentlich auf. Die zeitlichen Anteile lagen etwa bei 30 und 90 Minuten.
Bereits am S-Bahnhof sammelten sich vor Beginn die dunkel, meist mit Hoodies und/oder Caps bekleideten Fans und sinnierten bei Döner & Dosenbier sicherlich über alte und neue Zeiten der Rock-Musik. Der Altersdurchschnitt dürfte um die 45+ gelegen haben. Der Frauenanteil war jetzt garnicht mal so gering, wie woanders berichtet wurde - selbst Kinder in Begleitung waren zugegen. Frühzeitige Erziehung ist halt wichtig!
Gesittet, gesprächig und gemächlich schritten sie alle - wie auch mein Kumpel Frank und ich - zur 5 Minuten entfernten Halle im Inselpark. Die Soße meines leckeren Wraps (ich empfehle übrigens die vielseitigen Food-Läden im nahgelegenem Einkaufszentrum) tropfte dabei - natürlich von mir viel zu spät bemerkt - mit gar künstlerischem Ausdruck auf meinen frisch gewaschenen Paradise Lost-Hoodie. Manno. Die eingeübte Coolness war nu dahin! Später sollte sich der Schweiß noch um die Innenseite kümmern - also war ja wenigstens alles ausgeglichen!
Was anfangs noch sehr familiär in die Arena einlud, entlud sich drinnen dann aber umso mehr; als wolle man dem jungen Volk von heute zeigen, wie das partytechnisch zu laufen habe. Es wurde geheadbanged, gejumped, gefuckfingered, geshoutet und gepogoed. Okay, dauerhaft gezückte Smartphones waren bei vielen Besuchern auch wieder im Spiel und dreimal auf´s Klo gerannt wurde auch.
Wir selbst hielten uns in der Nähe vom Mischpult auf; wobei, mein Kumpel flüchtete später allein nach vorn, da er von einigen Herrschaften, die ihre nicht enden wollenden Gespräche von draußen nun nach drinnen verlagern mussten, sehr genervt war. Bei immerhin 60 Euro Eintrittspreis schon ein Statement von so manchen Gesellen. Aber naja. Ich selbst habe mir da mittlerweile mental eine Barriere antrainieren können und ignoriere mein Umfeld; auf dem Heimweg schreie ich gerne immer ausgleichend rote Ampelmännchen an - das hilft!
Nachdem Body Count sich selbst namentlich "In Da House" angekündigt haben (beachtlich war die Bandvorstellung ganz am Anfang direkt nach dem Intro), folgte bereits als zweite Nummer die Slayer-Hommage 'Raining In Blood/Postmortem 2017" von ihrem grandiosen Bloodlust-Album.
Anfangs noch mit etwas schlechtem Sound mischten sich alte wie neue Songs bis zum Ende hin gut durch. So wurden etwa Klassiker wie "Born Dead" und "Bowels Of The Devil" oder auch neue Songs vom kommenden Album "Merciless" wie "Psychopath" oder eben der Namensgeber gespielt.
"Cop Killer" wurde zu meinem Erstaunen auch gespielt. Der Song steht natürlich ursprünglich in einem ganz anderen Kontext; ein Geschmäckle hatte es für mich persönlich dennoch, da kürzlich ein Polizist im Einsatz in Mannheim auf offener Straße mit mehreren Messerstichen in den Hinterkopf getötet wurde; was in Deutschland (da nicht soo oft vorkommend) durch alle Medien ging, aber das Management/die Band von Body Count offensichtlich nicht erreicht hatte. Naja, wie gesagt - ein ganz anderer Kontext und vielleicht auch nicht so hoch aufzuhängen das Ganze, aber das leider schlechte Timing hatte bei mir tatsächlich ein wenig Kopfkino ausgelöst.
Geschmeidig wurde es aber trotzdem noch. Bei "Talk Shit, Get Shot" durfte die kleine Tochter (?) von Ice-T mit auf die Bühne und in Gangsta-Manier ein wenig mitperformen (war es eigentlich schon nach 22 Uhr?!). Stinkefinger & Pommesgabel ausgestreckt. Ganz der Papa halt! Der ältere Sohnemann machte den ganzen Abend als Anheizer auch eine gute Show. T-Shirts und Weisheiten des mittlerweile 66-jährigen Ice-T wurden auch ans dankbare Publikum verteilt.
Das geniale "This Is Why We Ride" löste bei mir leider nicht die gewohnte Gänsehaut aus, die ich jedesmal beim Hören der Studioversion bekomme; auch wenn Ice-T diesen Abend persönliche Rache schwor, wenn einer von uns Fans heute Abend auf der Straße erschossen werden sollte. Der Gesang als auch die Gitarrenlicks waren hier etwas neben der Spur und die bekannte Dynamik fehlte mir auch. Wieder gut gemacht haben sie es aber dann mit dem überraschendem Pink Floyd-Cover "Comfortably Numb", bei dem Gitarrist Ernie C sich mit einem Solo vor dem Original bis zum Boden hin verbeugt hatte. Gilmour hätte in seiner britischen Manier sicher anerkennend genickt.
Der Abend war insgesamt schon ein guter Ride. Den Live-Sound darf man mit den bombastisch produzierten Alben einfach nicht vergleichen (hört unbedingt auch mal in die Instrumental-Versionen von Bloodlust oder Carnivore rein!!). Mir persönlich fehlten zudem das Grammy-prämierte "Bum Rush", "Black Hoodie" und sanftere Stücke wie "The Winner Loses" oder "Hey Joe" für die Abrundung.
Aber hey, wer immer alles im Leben bekommt, braucht nichts mehr!
Die Setlist des Abends findet Ihr hier:
Body Count's in the House
Raining Blood / Postmortem (Slayer-Cover)
Bowels of the Devil
There Goes the Neighborhood
The Purge
Point the Finger
Manslaughter
Psychopath
No Lives Matter
Merciless
War / UK 82 / Disorder (The Exploited-Cover)
Talk Shit, Get Shot
Cop Killer
Zugabe:
Born Dead
This Is Why We Ride
Comfortably Numb (Pink Floyd-Cover)
(a.j.)