FAUN beim Hörnerfest 2024
Zeit der Raben,.. aehh Schwalben
Deutschland spielte an diesem Abend im EM-Achtelfinale gegen Dänemark, es war Punkt 21 Uhr ("Anpfiff!") und ich stand mit meinem Van irgendwie an irgendeinem Ackerrand irgendwo zwischen Elbe, Ost- und Nordsee im Süden Schleswig-Hosteins.
Der Versuch, ohne Navi nach Einprägung der Landkarte zu fahren (hey, ich fahr hier immerhin zu einem mittelalterlichen Fest!), scheiterte gar kläglich.
Nach meiner kleinen Odyssee über die Dörfer tauchte das Fest jedoch plötzlich im Nebel (ich übertreibe!) zwischen Äckern, Wiesen und Wäldern auf. Gute Feen schienen mir in Erbarmen vielleicht den Weg gewiesen zu haben. Kein wummender Bass verriet die Position, kein Festival-Banner zeigte mir den Weg. Ein paar schemenhaft erkennbare Zelte und Menschen in Kleidern ließen mich schlussendlich aufatmen.
Beim kostenfreien (!) Parkplatz angekommen, akklimatisierte ich mich zunächst mit der Umgebung und sog den Charme dieses kleinen Festes tief ein. Ich war das große Wacken gewöhnt, verliebte mich aber sofort in diese familiäre Sphäre im Niemannsland.
Trinkhörner, Felle (wohl leider nicht künstlich!), Stiefel mit Glocken, Piraten-Trachten, Hexen-Kleider, Gaukler-Kostüme, als Pan Verkleidete machten ebenso das Gesamtbild aus, wie die üblichen schwarz-gekleideten Metal-Fans in ihren Kutten. Familien mit Kindern, Paare und Solisten. Bunt und schwarz aber auch viel mittendrin. Hier war alles vertreten und in friedlicher Stimmung - ein herrliches Kleinod in dieser großen lauten Welt.
Es fehlten für die Abrundung nur noch Tiere; aber die waren nicht eingeladen. Also ließ auch ich meinen großen Karpaten-Wachhund zu Hause und kam diesen Abend allein mit einer Tageskarte in der Hand haltend für die Band FAUN.
Diese Pagan-Folk-Band habe ich für mich leider sehr spät entdeckt, hatte aber zuletzt immer die Hoffnung, sie würde mal beim etwas nördlicher gelegenen, sogenannten "Wikinger-Fest", dem Baltic Open Air-Festival bei Schleswig, auftreten; da kann ich von mir aus quasi "hinspucken" und kenne sogar den Weg.
Da die Running Order des Hörner Festes noch nicht bekannt war, kaufte ich mir damals auf Verdacht und nach Abstecken der Tour FAUNs das Samstag-Ticket und siehe da, FAUN kündigte sich später gar als Headliner für eben jenen Tag an. Treffer!
Eines noch vorne weg! Wer für Konzerte auf Festivals geht, sollte immer ein dickes Fell (und ich meine nicht diese Dinger von armen Lämmern) dabei haben, aber dazu später mehr...
Auf dem Konzertgelände angekommen, vorher noch vorbei an dem mittelalterlichen Dorf mit Ess- und Verkaufsständen, durfte ich noch die letzten mit Beats unterlegten sphärischen, meditativen Klänge der Band Qntal genießen - mit der muss ich mich wohl auch noch einmal näher beschäftigen. Wirklich gute elektronische Vibes mit Folk gemischt!
In der Umbau-Pause von FAUN suchte ich mir zunächst - wie eigentlich immer - einen mittigen Platz bei der Tontechnik und fand ihn an der vorderen, hölzernen Außenwand des Technik-Standes. Wohl merke auf: "Der beste Platz beim Konzert sei immer bei der Technik!".
Diese altbekannte Weisheit tat auch ein Besucher an seine zahlreichen Freunde kund, die sich dann aber später - während die Musik dann lief! - allesamt in einem nicht enden wollenden Palaver verloren (finde bitte einer den Fehler!).
Überdies ließen wirklich viele Besucher - die anscheinend kein Interesse an der Musik hatten - ihren Gedanken gar laut tönend Freiraum - ja war denn kein Platz im benachbarten Biergarten mehr vorhanden? Oder war dies nur die realitätsgetreue Imitation mittelalterlicher Feste, wo Barden noch beschimpft, beworfen, bespuckt, ignoriert oder an Bäume gehängt wurden?
Ich übertrug später meinen üblen Stehplatz jedenfalls nach drei, vier Songs freiwillig an den nächsten Narr mit hoffentlich „dickerem Fell“ und begab mich weiter Richtung Bühne; und dann wurde es schön, richtig schön!
Der Sound - der sich um Gesprächsteppiche kläglich windend - beim Technik-Turm noch ankam, war wirklich viel zu leise. Die recht kleinen Boxen an der Bühne gaben sicherlich alles, aber fanden leider nicht zu allen Ohren – insbesondere in der Nähe des Speis- und Trank-Tresens am Rande. Die optisch wirklich schöne Holz-Konstruktion um die Bühne herum – insbesondere die nach vorne lang gezogene Überdachung - schien den Sound zudem noch etwas zu schlucken. Wohl denen, die in den ersten Reihen standen. Bei meinem nächsten Hörner-Besuch werde auch ich schlauer sein.
Die Ansprachen von Oliver „SaTyr“ Pade waren über die Boxen leider nur sehr schwer zu verstehen und auch die Mikros der anderen Stimmen waren leider viel zu leise ausgesteuert. Die fantastische Stimme von Laura Fella konnte bspw. leider nicht ihre volle Kraft entfalten. Beim Song 'Odin' fehlte daher leider auch diese chorale Wucht, die man von FAUNs bekannten Live-Video mit Einar „Kvitrafn“ Selvikher her kennt (jedes Mal Gänsehaut!). Die Instrumente waren an diesem Abend jedoch zum Glück recht ordentlich und auch gut unterscheidbar ausgesteuert.
Die Band hatte tatsächlich auch etwas später begonnen, weil mit der Technik anscheinend noch etwas hakte, teilte Oliver „SaTyr“ Pade mit. Seinen Vocals-Check vollzog er mit einer kleinen, schönen Ballade, bei der er aber am Ende den Text vergaß und daraufhin schelmenhaften Applaus erntete; was ihn selbst sehr amüsierte: „JETZT also klatschet Ihr?!“.
Charmant anzusehen war auch, wie die Band-Mitglieder ihre zahlreichen Instrumente mit den Helfern zusammen aufbauten. Während das vorbereitete Drumset einfach nur auf die Bühne gerollt wurde, schien Multi-Instrumentalistin Adaya noch alles (Dudelsack, Flöten, Bouzouki & Co.) vorbereiten zu müssen. Niel Mitra am Synthesizer, schien auch noch viel zu drehen und zu schieben. Neben dem Geschehen hüpfte auch noch ein kleines Mädchen fröhlich über die Bühne - vermutlich der Band zugehörig. Fellas kugelrunder Bauch war auch deutlich zu sehen - weiterer Nachwuchs wird offensichtlich erwartet :) Alles sehr familiär und nah beisammen auf dieser Tour – wie freudig zu beobachten!
Die Band startete alsdann nach einem kurzen Einspieler (O-Ton des Technikers: "So, Du kannst das Intro nun laufen lassen...") das Konzert, das knapp 95 Minuten dauern sollte…
Die einzig größere Störung weiter vorne - vermutlich für alle hörbar, Band inbegriffen - kam noch von einer Meute, die immer wieder lauthals den Namen "MARKUS" rief - und das ausgerechnet bei einer der schönsten Balladen überhaupt (TAMLIN; nicht MARKUS!!). Hätten die Feen doch bloß Markus und die Seinen statt Tamlin in den Wald für sieben Jahre lang entführt!
Nun, ich hoffe "Markus aus dem Bällebad" wurde von seiner Sippe noch heil aufgefunden und in den Camping-Bereich geführt. Die Band hat sich nicht aus dem Konzept bringen lassen, aber die Magie war für einen Moment leider kurz dahin.
Oliver „SaTyr“ Pade leitete viele Songs immer mit einer kleinen Erklärung ein; teilweise konnte man sich dabei schon auf das Kommende freuen, wenn man den Hinweis erkannte. Dankbar bin ich, dass kein Wort zu dem EM-Spiel erfolgte. Fußballfreie Zone also – auch wegen des kaum vorhandenen Funk-Empfangs an diesem herrlich weit entlegenem Fleck.
Die Band bestand aus sechs fabelhaften Musikern, oder sieben, wenn man den zwitschernden Vogel dazu zählen mochte, der irgendwo in der Nähe sein Nest haben musste und während des Hörnerfestes wohl immer wieder mal über die Bühne flog. Kein Rabe, eher Schwalbe ;) Die letzte Änderung in der Band war der Austausch von Rüdiger Maul durch Alex Schulz. Als Neuling kann ich eventuell hörbare Veränderungen nicht beurteilen; ich empfand alle Drums & Percussions sehr energiegeladen. Adaya ist als Multi-Instrumentalistin und zweite Sängerin ein wahrer Gewinn für die Band! Überhaupt fand ich auch erst durch sie mit großer Neugierde zu FAUN; die als Folk-Band lange Zeit für mich immer nur unter dem Radar lief. Mein Fehler!
Wunderschöne Melodien und Texte, vielseitige Instrumente, die den Songs besondere Momente schenken, sehr harmonische Stimmen aller Musiker und offen für alle Richtungen - seien es verschiedene Sprachen oder Stile (Stichwort: Kooperation mit Eluveitie). Ich fühlte mich ein wenig an Loreena McKennitt in der Alhambra erinnert und träumte von FAUN in diesem Ambiente. Kann ja noch werden...
Die Songs ‚Gwydion‘ und ‚Galdra‘, die in der Studio-Version mit Gastmusikern gemeinsame Aufnahme erfuhren, wurden von der Band alternativ klasse umgesetzt. So konnten härtere Gesangsparts (etwa von Eluveitis Christian «Chrigel» Glanzmann bei ‚Gwydion‘) hier von FAUNs Stimmen sogar mit einer Übersetzung ohne ein Mangelgefühl übernommen werden, so wie es auch bei ‚Odin‘ am Abend der Fall war. Das zeigt, was für gute, vielseitige Musiker es allesamt sind.
Andere Bands lassen hier gerne mal ganze Versatzstücke aus dem Studio vom Band laufen, hier haben sie – bis auf ein kurzes Intro von Glanzmann – durchweg live variiert. Gefällt mir!
Ein überraschendes Highlight für mich war neben den schönen, melodiösen Songs ‚Walpurgisnacht‘ und ‚Diese kalte Nacht‘ auch das Lied ‚Blaue Stunde‘ wo Stephan Groth (jener Barde an der Drehleier) den Hauptgesangs-Part hatte. Die lange, treibende Einleitung war wirklich toll; das Zusammenspiel mit Adaya herrlich anzusehen. Ich mag diesen Song wirklich immer mehr – besonders live!
Die Mischung aus Instrumentals und Balladen sowie freudigen Liedern war den Abend über wirklich gelungen. Nach 25 Jahren des Bestehens fehlte den Fans natürlich sicher der eine oder andere Song – für mich als Neuling war es wirklich rund! Der tosende Applaus und die anhaltenden Rufe nach Zugaben trotz Regens zum Ende hin zeugte von allgemeiner Zufriedenheit!
Ein paar Tränen der Trauer – aufgrund nicht weit zurückliegender, persönlicher Erfahrungen - aber auch erlösender Freude zugleich kamen mir bei der einen von dreien Zugaben ‚Wenn wir uns wiedersehen‘, die auch gut als Ausklang griff.
Die Band bedankte sich abschließend mit Verbeugung und bei allen Helfern, beim Fest und den Zuschauern.
Mein persönlicher Dank geht auch an die Veranstalter dieses feinen Festes, bei dem ich sicher nicht das letzte Mal war (es darf bitte nicht größer werden; außer vielleicht die Boxen ;) ); zudem mein Dank an die tollen Musiker von FAUN, die ich nun auch weiter verfolgen werde und an diese Schwalbe, die uns Zeit geschenkt und so lang erduldet hat.
"Die Raben verschwinden nun. Es sei wieder die Zeit der Schwalben... ;)"
Für mich ein wirklich schöner Abend, der noch lange nachwirkt. Ich dürste nun danach, FAUN in einem ruhigeren Ambiente zu erleben. Ich stelle mir da eine Burg vor, oder einen Wald, oder aber den Aschberg hier bei mir vor der Türe mit herrlichem Blick auf die Schlei-Gegend – halt Heimat der Wikinger. Egal wo, nur bitte diesmal mit Zuschauern, die wegen der Musik kommen und bei Balladen ein wenig Ruhe und Aufmerksamkeit schenken…
Ein kleiner Nachtrag, der hier auf der Webseite aufgrund der wichtigen Thematik eigentlich mal in der Rubrik ‚Randnotizen‘ landen sollte:
Oliver „SaTyr“ Pade sprach am Ende des Konzertes die Bitte aus, sich doch gerne ein Shirt am Stand zu kaufen, da das Geld dann direkt an die Band gehe. Im Zeitalter des Streamens erhalten Musiker nicht wirklich viel für ihr Werk zurück, daher finde ich diese – eigentlich sehr traditionelle - Möglichkeit toll, um als Fan etwas direkt und ohne Umwege dafür zu geben (und dabei auch etwas Nachhaltiges für Geist und Körper zu erhalten).
Da der Stand auch tatsächlich sehr gut besucht war, meine Karpaten-Fellnase daheim an der Schlei aber nun auch wirklich lang genug einen schlechten Radiosender ertragen musste, und ich den noch weiten Irrweg zurück gen Norden fürchtete, entschloss ich mich, Zuhause in aller Ruhe im offiziellen FAUN-Shop Shirt, Hoodie und natürlich Vinyl (hier ein Album von Adaya) zu kaufen.
Es wird sicher nicht das Letzte sein, wofür ich meine Taler tausche ;)
(a.j.)
Ein paar Links (ohne Gewähr):
FAUN – medieval folk music – Official site – DE (faune.de)
(schöne Bilder von FAUN und vom Hörnerfest 2024)