Haby Rockt Open Air (H.R.O.A.) 2024
Der Freitag-Abend mit Terra Atlantica und Exilia
HhhhrrRRooOOAAA!!!
Aus dem Wiederbelebungskonzert von Linkin Park in Hamburg wurde an diesem Wochenende leider nichts – 106.000 Leute waren in der Warteschleife vor mir. 400 Euro (!!) für einen Barhocker im VIP-Bereich – der mir nach spätem Eintritt in den Ticketshop dann noch frech angeboten wurde - waren dann doch nicht so ganz mein Portemonnaie. Rock n‘ Roll war damals irgendwie anders!
Umso schöner war es dann beim kleinen Haby Rockt Open Air-Festival (H.R.O.A) am Freitag-Abend – und DAS war dann noch Rock n‘ Roll ;)
Das kleine Festival im beschaulich-schönen Haby (bei Groß Wittensee so zwischen Rendsburg und Eckernförde gelegen) feierte fünfjähriges Jubiläum.
Angefangen hatte es 2020, als der private Veranstalter Roland „Rollo“ Regling mit seiner „Wacken-Bande“ eine Ersatzveranstaltung zum Corona-bedingt ausgefallenem Wacken Open Air auf seinem Privat-Grundstück auf die Beine stellte. Damals noch alles etwas kleiner und im familiären Kreis (das überraschende Booking von Thundermother war natürlich ein Knaller! – Sat1 hatte seiner Zeit berichtet).
Jetzt nach 5 Jahren – und ich war sehr überrascht – hat sich das Festival zu einem beachtlichen und dabei charmanten Event gemausert. Alles gut durchorganisiert, viel Platz zum (kostenlosen!) Parken und schmal-preisigen Camping. Für´s leibliche Wohl war gut gesorgt, Toiletten waren vorhanden, die Leute sowieso alle gut drauf und das Ambiente in Waldesnähe sehr kuschelig. Crew, Aufbauten und Technik wirkten professioneller als erwartet, die Preise waren top (Tagesticket für Freitag 20 Euro, Samstag für 30 Euro – beides zusammen 45 Euro).
Da der Lone Reviewer seine Tickets immer selbst zahlt, darf diese Einleitung zum Festival hier erneut nicht als Werbung verstanden werden, sondern als Empfehlung für all jene, denen die etablierten, großen Festivals mittlerweile zu abgehoben und über-organisiert erscheinen. H.R.O.A. verkauft meine ich für das Wochenende in der Spitze bis zu 500 Karten, von einem Ausverkauf ist jedoch noch lange nicht zu sprechen – es bleibt verteilt auf zwei Tage überschaubar und entspannt, und Platz ist reichlich vorhanden.
Klar sind hier nicht die großen Bands zu erwarten; aber die Musik ist dadurch ja nicht schlechter! Zudem gelingt es dem Veranstalter die eine oder andere Perle an Land zu ziehen – so wie dieses Jahr beispielsweise die italienische Band Exilia, die seit etwa 30 Jahren aktiv ist, musikalisch Vergleiche mit etwa Guano Apes nicht scheuen muss, Anfang der 2000er ebenfalls auf MTV, VIVA & Co. lief und sogar einen anerkannten Newcomer-Preis einheimste; danach aber leider etwas unter dem Radar lief. Wie die am Freitag-Abend beim H.R.O.A. abgeliefert (!) haben, dazu gleich mehr…
Das Haby Rockt Open Air jedenfalls kann als schöner Ausklang der Rock-Festival-Saison verstanden werden; die bestehende Lücke am Ende aller Festivals im Spätsommer (bringt Euch halt nen warmen Hoodie mit!) wird verständlicherweise ausgenutzt.
Selbst in den Hüttener Bergen seit etwa 4 Jahren wohnend, war mir das Festival jedoch bis dato nicht bekannt – überhaupt sind hier viele kleinere Veranstaltungen versteckt und noch zu entdecken. Ein purer Zufall bzw. eine Umleitungsstrecke Richtung Eckernförde ließ meinen Blick auf ein Plakat am Wegesrand stoßen, das dann meine Neugier weckte..
Auf der H.R.O.A.-Webseite habe ich mich dann durch das Line-up geklickt und bin bei der Powermetal-Band Terra Atlantica aus Hamburg hängen geblieben – die fand ich sehr ansprechend. Power-Metal mag ich. Da sie für den Freitag-Abend eingebucht war, sollte es dann auch das Tagesticket werden.
Exilia als zweite Band am Abend hatte ich mir optional nach Lust & Laune noch offen gehalten. Immerhin war es Freitag, die Arbeitswoche lag hinter einem und man ist halt keine „30“ mehr; - .. ja ja, klingt grad auch nicht alles nach Rock n‘ Roll bei mir. Ich nutze daher auch gerne den Begriff „man“ ;)
Ich nehme es nun mal vorweg: Gut, dass ich mich - zumindest gedanklich - auf 30 Jahre heruntergestuft habe und noch für Exilia geblieben bin!
Ich führe diesen Bericht - aus Gründen auf die ich noch eingehe - unter dem Reiter Exilia (2024). Für Terra Atlantica möchte ich noch einmal einen weiteren Konzertbesuch wagen...
Nachdem ich den kostenfreien Parkplatz - nach einer kleinen, buchstäblichen Irrfahrt (ich komme anscheinend nie ohne aus!) über den Campingplatz - gefunden habe, bin ich auf dem großen privaten Hofgelände eingetroffen und war schier überrascht. Ich hatte es mir kleiner und vielleicht auch weniger organisiert vorgestellt.
Ich war ja kürzlich beim mittlerweile bekannten Hörnerfest zugegen. Verstecken müssen sich die Macher vom H.R.O.A. im Vergleich (falls man sich überhaupt vergleichen mag) nun wahrlich nicht. Alles noch ein bisschen kleiner, klar, aber auch hier gab es z.B ein Mittelalterdorf mit Ständen für Speis & Trank, Spiel & Marktsprache sowie künstlerisches Handwerk.
Mit dem üblichen Bändsel am Arm bin ich beim zweiten Versuch dann auch durch den Check durch (es gab aufmerksame „Türsteher“, die mich mit meinem Tages-Ticket tatsächlich nochmal zum Check-In am Eingang geschickt haben - so viel zur wirklich guten Orga) und an einem weiteren kleinen Campingplatz vorbei. Auch hier schallte Musik und Gelächter aus dem Bereich, wie man es von den anderen Festivals her kannte.
Das etwas hügelige Infield selbst war umsäumt von Bäumen, eigentlich stand man mitten im Wald - und war durch die paar Stände (die teilweise auch etwas schräg standen) sehr schön beleuchtet. Die Bühne war groß genug, es gab sogar einen Technik-Turm; bei dem ich natürlich wieder anfangs stand. Der Merch-Stand durfte nicht fehlen; ist es dieser Tage doch nahezu die beste Einnahmequelle für Bands und Veranstalter geworden. Der erste Eindruck war wirklich gut und sollte sich am Ende bestätigen…
Nun aber zu den Bands
Terra Atlantica sollte eigentlich um 20 Uhr starten, hatte beim Soundcheck aber noch massiv mit technischen Problemen zu kämpfen; was sich noch das ganze Konzert über hinziehen sollte – das „schwere Los der ersten Band“ halt.
Randnotiz: Eingesungen wurde sich mit den deutschen Songs von Dragonball(z) und Pokemon – aus dem Publikum wurde noch das Gummibärchen-Lied gefordert. Gab es aber nicht. – „War ich hier richtig?!“
Als Umstand hinzu kam das kürzliche Einspringen für die Leadvocals durch einen befreundeten Sänger, der sich für seine Textunsicherheit und das wiederholte Ablesen auch mehrfach entschuldigte - ich meine auch für die zweite Gitarre wurde Personal getauscht. Dafür hatten sie es aber wirklich gut gemacht – und den Heldenmut dafür musste man ihnen sowieso hoch anrechnen.
Allerdings litt der gesamte Auftritt der Band nicht nur durch diesen Wechsel ein wenig; durch teilweise nicht oder falsch (?) angesteuerte Monitorboxen, ausgefallene In-Ear-Kopfhörer und auch viel Übersteuerung insgesamt zu Beginn des Festivals kam etwas Frust auf.
Die Band kann in dieser Konstellation natürlich nicht eingespielt sein; ein paar schräge Töne waren schon mit dabei; was bei Metal-Mukke natürlich noch gut verschmerzbar ist. Man hatte jedenfalls das Gefühl, dass die Band selbst nicht so zufrieden mit dem Abend war (ein Song musste sogar dreimal neu gestartet werden), auch weil sie vielleicht nicht ihr ganzes Potential abrufen konnte.
Immerhin ist sie schon seit 10 Jahren am Start und die Alben klingen echt sauber produziert. Die Setlist an diesem Abend war auch abwechslungsreich gewählt; wenngleich sie sicherlich aus erwähnten Gründen eingeschränkt wurde.
Für den Samstag gab es meine ich zuvor schon zwei angekündigte Band-Wechsel (Auflösungen waren in der Szene nun mal Normalität). Aus Veranstalter-Sicht wäre ein weiterer Umbau des Line-ups vielleicht auch nicht mehr so einfach machbar oder auch nicht mehr so gerne gesehen gewesen.
Augen zu und durch…!
Der Stimmung jedenfalls hat es kaum Abbruch getan. Es wurde vor der Bühne getanzt und mitgesungen. Die Bandmitglieder haben auch noch gelächelt, sich mit den Gitarren unter Einsatz von viel (viel!!) Nebel „duelliert“ und das Publikum als auch gegenseitig wohlwollend angefeuert.
Power-Metal geht ja sowieso immer - und darf auch mal etwas „neben der Spur“ klingen, dreckig sein! Kein Drama also!
Ich weiß jetzt auch nicht, ob sich meine Ohren mit der Zeit an den anfangs zu brachial wirkenden Sound (die ersten 20 Minuten waren schon echt grausam!) gewöhnt hatten; „schön trinken“ konnte ich es mir als Autofahrer ja nicht wirklich - zum Ende hin wurde es jedenfalls merklich besser.
Die Leute hatten Spaß – und darum geht es doch! Hier - im kleinen Rahmen - ist auch alles irgendwie verzeihlicher.
Und hey! Dafür sind meine Handy-Bilder hier auch unterirdisch! Es gleicht sich alles aus.
Die Band möchte ich in Original-Besetzung auf jeden Fall noch mal sehen und dann hoffentlich positiver berichten; Hamburg – wo sie viel spielt - ist ja jetzt nicht so weit weg.
Schon ein klein wenig enttäuscht von dem Live-Auftritt (für den ich ja in erster Linie nach dem Anhören der guten Studio-Alben auch mit gewissen Erwartungen her kam), zudem etwas abgeschreckt von der anschließenden Umbauphase bei nun mittlerweile kühleren Temperaturen, kam ich dann ins Grübeln und führte einen inneren Monolog - während ich auf und ab ging, um mich zu wärmen.
„Eigentlich war es viel zu nett hier, ich hab erst eine Band gesehen, das Wochenende lag noch vor mir, der Hund Zuhause ward gut versorgt und Exilia konnte ja vielleicht noch alles rausreißen…!? – ok, bleib ma – … trotz meines kürzlich erlebten Hexenschusses!! Wo ist JETZT der Barhocker?!?“
Der Umbau ging dann fixer als gedacht. Das Drum-Set von Exilia stand ja auch schon die ganze Zeit neben dem anderen griffbereit da. „Rollo“ wurde für die Ansage wieder zur Bühne gerufen und dieser ermahnte die ganzen Camper nebenan in bester norddeutscher aber durchdringlichen Art doch mal bitteschön aus den Zelten zu kriechen und sich gepflegt vor der Bühne einzufinden.
Ich wagte mich – davon eingeschüchtert - nun auch näher an die Bühne heran und die ersten Klänge hauten mich gleich weg – im positiven Sinne. Die 4er-Kombo hatte einen derart prallen Sound am Leibe, das Auftreten der quirligen Sängerin mit Dreadlocks unter dem Cap aber auch der drei Männer in der Band riss einen förmlich sofort mit.
Ich selbst hatte jetzt nicht mehr das Gefühl, auf einem kleinen Festival mit ein paar Kinderkrankheiten zu sein. Irgendetwas war passiert. Technik, Band und Publikum schienen nun zu einem Element zu verschmelzen. „Schickt die Kinder ins Bett, jetzt wird es ernst!“
Es stimmte plötzlich irgendwie alles – und ich war froh, nicht schon wieder gen Heimat gefahren zu sein. Mein Hund musste Zuhause leider noch eine Weile den bei mir technisch einzig einstellbaren Sender Delta Radio (sind immer noch doof!) hören und hatte sich daher später nen noch größeren Kausnack verdient. Win-win für alle! ;)
Was so ziemlich raus stach, war die kratzige und dabei wuchtige Stimme der Sängerin Masha Mysmane (einziges bestehendes Gründungsmitglied der Nu-Metal-Band aus dem Jahre 1993) – die fegte einen mal so richtig weg. Die Vocal-Effekte, die Masha am Mikroständer selbst regelte, hätte es eigentlich nicht mehr gebraucht; aber sie wusste sie gut zu platzieren und sie gaben dem Ganzen obendrauf noch mehr Biss.
Ich hatte ja kürzlich auf dem B.O.A. (Baltic Open Air-Festival in Busdorf) die Guano Apes gefeiert (hatte da vorher auch nicht so viel von denen erwartet) – Exilia servierte hier am Abend einen ebenbürtigen Nachschlag.
Der Gitarrist (mit Gesichtsbemalung im Stile von King Diamond; nur ohne umgedrehte Kreuze), der gut gestählte Bassist, der gut aus Little Italy in New York hätte stammen können, sowie der nur äußerlich unscheinbare Monster-Drummer boten eine eingespielte musikalische Quadratur, die uns und auch ihnen selbst den Abend über Spaß brachte.
Die beiden Gitarren-Jungs waren mit Funk ausgestattet und gingen sogar für ein kurzes Spiel in den kleinen Circle Pit vor der Bühne, Masha war an einem langen Kabel gebunden und hüpfte daher auf der Bühne verblieben wie ein Derwisch rum; dabei ging auch ein Mikro kaputt. Der Bühnentechniker tauschte es fix aus und durfte dafür auch kurz mal einen Drumstick schwingen.
Die Band wirkte sehr stringent in ihrem Spiel und ich empfand es irgendwie schade, dass sie so vergleichsweise klein geblieben ist in den letzten mehr als 20 Jahren nach eben jenen Newcomer-Preis – an mir ging sie damals ja leider auch vorbei. Wobei ich mir in der Nacht noch einmal das alte Video zu „Stop Playing God“ angeschaut habe, und mich dann tatsächlich dunkel zu erinnern schien.
Vielleicht lag es aber auch an der abnehmenden Qualität der „Musiksender“, die später – wenn überhaupt Musik – ähnlich wie das verkommene Radio nur noch Dauerschleifen vom Band spielten und nicht mehr viel Platz für kleinere, spannende Bands am Rande boten - allenfalls im versteckten Nachtprogramm (?). Wieder ein Thema für unsere Rubrik Randnotizen gefunden.
Ihr eigenes Material war über die Jahre auch wirklich gut, die kleine Hommage an Linkin Park oder Rage Against The Machine hätte es gar nicht mal gebraucht – wir hatten es aber natürlich dankend angenommen.
Masha sprach viel mit dem Publikum und zwischendrin auch die politische Lage, die aktuellen Kriege auf der Welt an und ließ ihren Frust im anschließenden Song in einer Art und Weise freien Lauf, wie ich es selten bei Künstlern gesehen habe – da war vieles echt dran! Insbesondere am letzten Schrei, für den sie wirklich noch mal alles aus ihrem Körper raus holte.
„Ihr müsst RATM doch gar nicht covern, ihr habt selbst so viel Rage im Blut!“
Das machte mir echt Laune! Die Zeit verflog im Nu – die Kälte in den Klamotten ward vergessen.
Am Ende des Auftritts bedankte sich die Band bei Haby und wies noch fix auf den Merch-Stand hin, zu dem sie später noch für Photos und Austausch kommen sollte.
Es war alles in allem noch ein wirklich gelungener Abend und das kleine H.R.O.A. hat sich einen jährlichen Platz auf unserer Sidebar (Jahresübersicht der lokalen Festivals) beim Lone Reviewer verdient.
Meiner „Wacken-Crew“ habe ich auch schon davon vorgeschwärmt: "Es müssen nicht immer die großen, überteuerten Events sein!"
Dem quantitativ ergiebigeren Samstag-Programm konnte ich leider nicht mehr beiwohnen; aber da frage ich mal meine Nachbarn (die zugegen waren) nach Feedback…
(a.j.)
Und hier ein paar Links (ohne Gewähr!):
Und hier noch ein paar weitere miese Bilder:
- sorry, der Lone Reviewer kann sich keine gute Kamera mehr leisten; das ganze Geld geht schon für das olle Webhosting drauf! ;)