Opeth (Hamburg, 2014)

Durchhalten bis zum Anfang

 

„We are called Opeth“, äußerte Sänger Mikael Äkerfeldt fast verteidigend aber auch mit einem Zwinkern in den Augen, nachdem die Band mit neuen Songs der aktuellen Scheibe „Pale Communion“ versöhnlich startete, dann aber künstlerisch befreit ein paar alte Stücke zum Besten gab, die die von alten Fans gegenwärtig oft vermisste Härte und auch das von neuen Fans vielleicht nicht so geliebte „Growlen“ enthielten.

 

Ich selbst wurde gedanklich kurz zurückversetzt in das Jahre zurückliegende Staind-Konzert im Grünspan, das NDR 2 (!) damals gesponsert hat und sich zusammen mit seinen “Der Nachmittag“-Hörern spürbar erschrak, als neben dem balladigen und radiotauglichen „It´s been awhile“ die Band plötzlich mit Brachialmusik ausbrach. „Ist da etwas mit den Mikros nicht in Ordnung?! Wann ist denn diese Vorgruppe endlich mal fertig?!“, schien man den fragenden Blicken in Richtung Technik zu entnehmen. Lustig war´s ja schon. Man sollte sich im Vorwege dennoch informieren, dann darf man sich auch beschweren! War da nicht kürzlich wieder was mit Triggerfinger?

 

Zugegeben. Auch ich kann diesem unverständlichen Gegröhle nicht sehr viel abgewinnen, akzeptiere es aber als eine kunstvolle und ausdrucksstarke „Gesangsart“, wenn sie mit soviel Energie, Dynamik, Ideenreichtum, Melodien und normalen Gesangspassagen mit Harmonien zugleich verbunden ist, wie es in der Großen Freiheit 36 am 8. November 2014 von Opeth dargeboten wurde. Die Abwechslung macht´s dann aus.

 

Als Fan von Porcupine Tree war ich natürlich neugierig auf das Schaffen von Opeth und nähere mich nun vorsichtig von hinten an die Band und ihre 11 Alben an. „Pale Communion“ betrachte ich als Offenbarung; Klänge und Kompositionen die neu erfunden wirken und für die Ewigkeit als Maßstab bestimmt scheinen! Die älteren Alben sehe ich als kommende Aufgabe für mich. Live wollte ich mich frühzeitig heran wagen und auch heldenhaft die Härte sowie meine Schmerzgrenze austesten. Mit Pink Floyd im Auto zum Konzert zu fahren, ist dabei – nachträglich betrachtend – vielleicht nicht die beste Methode. Kann aber zum Warmwerden dienen.

 

Das zweistündige Konzert selbst enthielt eine gute Mischung aus neuen und alten Songs der knapp 25 Jahre alten Bandgeschichte - also in etwa so trächtig wie die nicht mehr bestehende ostdeutsche Mauer, was in der Folgenacht auf dem Kiez noch gefeiert werden sollte. Hin und wieder wirkte die Zusammenstellung der Setlist zum Ende hin für mich persönlich etwas zu gleichströmig, so daß die andauernde Härte mich manchmal in andere Gedanken trieb; verloren hat die Musik mich aber nie. Insbesondere die Zugabe gab einen krönenden und runden Abschluß. Ich bleibe neugierig.

 

Der Sound war druckvoll, der instrumental betonten Produktion gegenüber aber oftmals etwas schuldig. Aber wer will schon zu Opeth in die Laeiszhalle. Die Große Freiheit jedenfalls war voll, die Leute gemischten Alters und Kleidung – auf ihre Art - gut drauf. Die richtige Musik für den Samstag-Abend, der noch jung war, als man gegen 22 Uhr auf die Reeperbahn hinausströmte und mit einer gewissen Entspannung – an der Opeth Anteil hatte - in die kühle November-Nacht entlassen wurde.

 

2 ½ Stunden dauerte der Konzertabend insgesamt, wenn man die äußerst interessante Vorband Alcest hinzurechnet, die sich über den Status einer Supportband hinaus in die dunklen Herzen der Anwesenden spielte und prompt auf meinem Einkaufszettel landete. Auch Gegröhle, aber auch Kunst. Also alles gut!

 

Ich weiß abschließend betrachtet nicht, ob mir sogar etwas gefehlt hätte, wenn das Growlen und die alten Songs am Abend nicht dabei gewesen wären, vielleicht hätte ich dann ständig zu sehr mit Steven Wilson`s Feder verglichen. So aber habe ich Opeth einmal übergreifend kennengelernt, mich darauf eingelassen und konnte sogar der Härte tatsächlich etwas abgewinnen, was mir damals bei Staind noch mißlang. Woran ich mich aber noch gewöhnen darf, sind nasse Haare, die permanent vom Vordermann auf meine Brille klatschen; das hat etwas von defensivem Ausweichtraining. Aber auch das gehört dazu. Das ganze Programm halt. Auch hier ist Toleranz gefragt. Hab ich.

 

Ich bin nun mutig und kaufe weiter von hinten nach vorne, Album für Album. Mal sehen wann ich aussteige, vielleicht halte ich ja bis zum Anfang durch...

 

(a.j.)

 

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