Popa Chubby (Kiel, 2014)

Spannungsbogen von mir bis zum Bierstand

 

Da sitzt doch der Chubby Minuten vor seinem Auftritt in der Räucherei am 15. November 2014 hinten rechts in einer kleinen Nische, wo sonst nur Jacken auf kaum zu ertastende Haken aufgehängt werden und neuerdings auch die zweite kleinere Bierausgabe verweilt. Dort verkauft und unterschreibt er gelassen CDs und Shirts, wechselt seine mehrfach geteilte Aufmerksamkeit zwischen Smartphone und Laptop, während er sich nebenbei - mehr aus dem Augenwinkel heraus - mit einer Gabel sein üppiges Abendessen hinter die Kiemen schiebt und sich auch noch auf Smalltalk mit den Fans einlässt. Die halb geleerte Flasche Coke Light auf dem Tisch wirkt dabei wie ein Klischee. Nochmal schnell das andere Smartphone des Roadies gecheckt, ehe es nach nahezu pünktlicher Ankündigung des Veranstalters dann leicht verspätet doch noch auf die Bühne geht.- Die Meute noch vor dem Konzert abgreifen, ehe sie einem später entgleitet und die 20 Euro in der Bergstraße oder Kaskade landen. Ein Fuchs er ist. Auf eine gewisse Art aber auch charmant, da greifbar und bodenständig geblieben - bei seinem immerhin 25jährigen Jubiläum.

 

Dass das mit dem „Entgleiten“ durchaus passieren kann, zeigt dann der zwar ordentliche aber irgendwie zähe eigentliche Auftritt des Blues-Heavyrock-(oder-irgendwo-dazwischen)-Musikers aus New York, der als Einleitungsmusik noch die Rocky-Hymne vom Band wählt, ansonsten aber in knapp 140 Minuten wenig schlagkräftig daher kommt. Es hatte tatsächlich etwas von einem langatmigen Boxkampf bei den "Privaten".

 

Nicht falsch verstehen. Der Mann, der kleidungstechnisch eher wie ein Vertreter der East-Coast-Rapszene daher kommt, weiß durchaus, was an der Gitarre alles zu machen ist, spielt sich auf seinem Stuhl sitzend gekonnt aber eben nur selbst in Ekstase, sucht dabei immer wieder Kontakt zu seinen Zuhörern und weiß auch mit Gesten und Blicken zu unterhalten, wenn man ihn denn überhaupt wahrnimmt aus hinteren Reihen.

 

Seine beiden italienischen Begleiter an Bass und Drums stimmen auch gut ein, agieren aufmerksam, liefern genügend Rhythmus und Wumms für eine dreiköpfige Band. Aber irgendwie will da den ganzen Abend über der Funke nicht so recht bei mir rüberspringen. Lag es wirklich nur an mir, dem Bier, dem diesmal ausgebliebenen Austausch auf dem Toilettenflur oder doch an einer Setlist, die das Wort Spannungsbogen nur aus der Ferne kennt?

 

Sicher, es ist alles dabei, was stilistisch mit dem Blues verstrickbar erscheint, aber vielleicht ist auch gerade das das Problem. Coverversionen (Leonard Cohen´s Hallelujah, Jimi Hendrix´Hey Joe, das Der Pate-Thema) oder Andeutungen dergleichen (Led Zeppelin´s Stairway To Heaven) míschen sich mit fehlplaziert wirkenden Reggae-Einlagen bei denen der Protagonist auch mal selbst das Drumsset bearbeitet, mit Balladen, die nicht richtig greifen wollen und mit Soli an Bass und Schlagzeug, die eher zum Zigarettenpäuschen vor der Tür oder dem Biernachschub vor`m Klo anregen.

 

„Gut gearbeitet!“, wie es ein Musikfreund gerne immer wieder mal hervorholt, wenn die Band nicht wirklich überzeugt hat. Dass Leute bis zum Schluss bleiben, muss nicht immer für den Künstler sprechen. Vielleicht war auch einfach nur nicht gleich ein Taxi zu kriegen oder das Bier noch nicht aus.

 

Zugegeben. In letzter Zeit wird man in der Räucherei recht verwöhnt, wenn man allein an den kürzlichen, vor purer Energie strömenden Auftritt des Powertrios The Brew oder an bedeutsame Abende mit etwa Charismatiker Corey Harris (der den Blues-Mix übrigens sauber hinbekommt), den spielfreudigen Blues Shacks oder auch - weiter zurückliegend - Virtuosen Henrik Freischlader denkt. Das alles zündelte, hatte Feuer, Esprit, Leidenschaft (vielleicht auch Sex) und brachte die zum Veranstaltungszentrum umgebaute ehemalige „Räucherei“ wieder mal zum Knistern. Das heute Abend hatte etwas von „Abgrillen“ – zum Glück kommen 2014 ja noch ein paar Hoffnungsträger ins lauschige Gaarden, mit ein wenig mehr Seele im Gepäck.

 

(a.j.)

 

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