Pink (Hamburg, 2004)

Rock aus dem Vogelkäfig

 

Das Publikum am 13.03.04 in Hamburg war erwartungsfroh, viele, vor allem weibliche Fans sorgten durch auffällige Kleidung und pinke Accessoires für den richtigen Rahmen, und bis auf ein paar Plätze auf dem Oberrang war die Color Line Arena ausverkauft. Leider konnte die sogenannte „Vorgruppe“ die Stimmung kaum anheizen: Es handelte sich um ein, dem Akzent nach, aus England stammendes Duo von D-Janes, das lediglich zwei Turntables bediente, ein paar aktuelle Songs und Klassiker auflegte und dazu peinlich auf der Bühne herumhüpfte. Die Animationsversuche scheiterten kläglich, weil die Damen schlicht und ergreifend nicht zu verstehen waren, selbst für jemanden, der eigentlich gut Englisch kann.

 

Nach dieser ersten Enttäuschung stieg die Stimmung, als sich der Vorhang lüftete und Pink, in Großaufnahme auch auf drei Videowänden zu verfolgen, in einem Vogelkäfig auf die Bühne herabgelassen wurde. Damit war auch schon einer der Trends für den Abend festgelegt: die Bühnenshow war aufwendig und mit einigem High Tech ausgestattet. Es gab eine Kulisse aus Pappmaschee-Boxen, zwei Treppen, jede Menge Lichteffekte und die besagten Videowände, auf denen nicht nur Aufnahmen des Konzertes, sondern auch einige Einspieler gezeigt wurden. Bei einzelnen Songs wurde zusätzliche Dekoration wie Spiegel oder Go-Go-Stangen aufgefahren.

 

Die Show war zu einem Großteil minutiös durchchoreographiert, wobei Pink von drei Tänzerinnen unterstützt wurde. Im Verlauf der Show wechselten die Tänzerinnen und Pink selbst mehrmals ihr Bühnenoutfit. Anfangs trat sie als Punk mit einem gewaltigen pinken Iro auf, dann in einem sexy Mieder mit blonder Perücke, dann als Rock-Lady mit zerrissenen Jeans und Lederkappe, und schließlich als Diva in einem grell orangen, schwarz abgesetzten Mantel und darunter einem gleichfarbigen hautengen Dress. Sie flachste schon zu Anfang des Konzerts, dieses Mal nur Tee und Kaffee getrunken zu haben, und zog die Show dann auch professionell durch, was auf meiner Feder nicht unbedingt ein Kompliment ist. Man hatte aber schon das Gefühl, dass sie auch trotz der bereits länger andauernden Tour Spaß auf der Bühne hatte.

 

Das Konzert dauerte ca. 90 Minuten. Pink spielte Songs von allen drei Alben und auch einige Cover. Dabei blieb sie ihrem eingangs verkündeten Motto: „I wanna rock“, treu. Die Gitarren waren laut und hart, die Bässe fett. Gesanglich wurde Pink von einer Background-Sängerin unterstützt, mit der sie über weite Strecken ein echtes Duett sang. Pink nutzte jedoch bei den langsameren Songs die Gelegenheit, etwaige Skeptiker von ihrer guten Gesangsform zu überzeugen.

 

Nachdem die ersten Nummern, die offenbar von ihrem ersten, recht unbekannten R’n’B-Album stammten, das Publikum noch nicht so richtig entflammten, kochte die Arena erstmals bei „Lady Marmelade“ über, zu dem Pink auf der Bühne lasziv eine Gummipuppe beritt, die eindeutig wie Christina Aguilera im Video des Tracks gestylt war. Und wem diese Anspielung nicht deutlich genug war, dem räumte Pink jeden Zweifel aus, als sie den Song unterbrach, die Gummipuppe hochhielt und fragte: „Kommt euch dieses Gesicht bekannt vor? You are beautiful, no matter what they say...“ Spätestens jetzt hatte sie die Lacher auf ihrer Seite und die Halle tobte. Auch die Hits „Don’t let me get me“ und „Just like a pill“ gingen gut ab und rissen die Zuschauer auf den Rängen endlich größtenteils von ihren Sitzen.

 

Einige Tracks wurden nicht in voller Länge performt, sondern nur angespielt, so unter anderem auch der Hit „Trouble“, von dem Pink nur eine Strophe und den Chorus a capella sang, während sie sich auf dem Boden räkelte und ihre Tänzerinnen über ihr sich ihrer spärlichen Kleidung bis auf String und abgeklebte Nippel entledigten. Insgesamt setzten Pink und die Tänzerinnen bei der Show auf viel Sex. Bei „Respect“ tanzte Pink auf einem Stuhl, auf dem ein Freiwilliger aus dem Publikum angekettet war, und ließ ihre Hüften provozierend direkt vor seinem Gesicht kreisen.

 

Auch eine, wenn auch etwas ambivalente, Friedensbotschaft lief unter dem Jubel der Menge auf den Videowänden ab, bevor Pink „My Vietnam“ in eine amerikanische und eine deutsche Flagge gehüllt performte. Danach kamen dann auch diejenigen, denen der musikalische Aspekt bisher zu sehr im Hintergrund gestanden hatte, auf ihre Kosten, als Pink mit ihrem Gitarristen ein Akustik-Medley der größten Janis-Joplin-Hits spielte. Hier bewies sie abermals, was sie stimmlich drauf hat. Später ließ sie sich ein Drum-Kit auf die Bühne fahren und lieferte sich ein Duell mit dem Drummer ihrer Band.

 

Als Pink dann zum erstenmal die Bühne verließ und es dunkel wurde, war eine super Stimmung in der Color Line Arena. Pink ließ sich sehr lange Zeit bis zur Zugabe, doch es wurde eher lauter als leiser. Dann ertönten die ersten Akkorde von - „Welcome to the jungle“! Während die hervorragende Background-Sängerin, die dem Publikum leider ebenso wenig wie der Großteil der Band vorgestellt wurde, den ersten Teil des Guns’n’Roses-Klassikers performte, kämpfte sich Pink mit ein paar Security-Leuten durch die Menge, drückte viele Hände und brachte so den Innenraum der Arena zum Brodeln. Dann erklomm sie die Bühne und sang den Song zu Ende.

 

Darauf folgte „Get the party started“ in einer äußerst rockigen Version, bei der Pink sich an einem breiten Stoffband in die Höhe ziehen ließ, während die sang, und dann - während sie immer noch sang - erst wie eine echte Akrobatin in der Luft rotierte und dann wieder herunterrutschte, ohne Netz und Sicherheitsleine! Dabei hing sie bestimmt 6-7 Meter hoch in der Luft. Nun war die Menge voll in Fahrt und bereit, die Party richtig zu starten und mit Pink abzufeiern. Das Lied war vorbei, das Publikum tobte, Pink verließ die Bühne - und ein Abspann begann auf den Videowänden zu laufen, während Musik vom Band einsetzte. Irgendwie doch ein sehr abrupter Abbruch, aber wie die Deutschen nun mal sind, begannen sie sofort brav die Halle zu räumen und machten so meine Hoffnung, Pink noch mal auf die Bühne zu bekommen, zunichte. Schade.

 

Fazit: Pink hat gezeigt, was sie live draufhat, sowohl was Show als auch was Gesang angeht. Meinen Respekt hat sie vor allem durch die Auswahl ihrer Cover-Tracks gewonnen. Die Stimmung war anfangs - sicher auch, weil die Vorgruppe so überhaupt nicht abging - eher verhalten, wurde dann aber noch richtig gut. Von mir aus hätte man auf die aufwendige Show größtenteils verzichten können, vielleicht wäre dann der Draht zum Publikum auch schneller entstanden, weil Pink nicht mit der Choreographie beschäftigt gewesen wäre. Außerdem finde ich 90 Minuten bei den Preisen der Eintrittskarten nicht gerade eine besonders lange Show, zumal Pinks Repertoire durchaus mehr hergibt. Es heißt zwar, man soll aufhören, wenn es am Schönsten ist, aber nach dem doch sehr plötzliche Ende kam ich mir schon etwas verarscht vor.

 

(f.t.)

 

Kommentare

Bitte geben Sie den Code ein
* Pflichtfelder
Es sind noch keine Einträge vorhanden.