Lauschgeduld!

Bild von Susanne auf Pixabay

28. August 2003

(von André)

Hinweis vom 13. März 2023: Diese "Randnotiz" hatte ich vor 20 (!!) Jahren verfasst. Wenn man bedenkt, daß das kurz befriedigende Streamen damals noch in den Kinderschuhen steckte (iTunes legte u.a. los), war es doch schon fast prophetisch und der Start vom Ende ;)

 

Die Geduld des Lauschens !

 

Folgendes kam mir neulich bei einem sehr netten Beisammensein mit einem alten Schulfreund in den Sinn, als wir uns an einem lauen Sommerabend bei sternklarem Himmel auf die Terasse flezten und uns ein paar gute Musik-Scheiben reinzogen :  

 

Ich weiss, wir leben jetzt im 21 Jahrhundert, und alles muss immer schneller und besser, und sowieso praktischer werden. Das artet aber soweit aus, dass wir uns diesem Fortschritt anpassen (müssen) und uns oft selbst verlieren - es fällt uns schwer, mal anzuhalten, durchzuatmen, fest auf dem Boden zu stehen und sich gegen diesen wehenden Wind zu lehnen, der uns von hinten in die Zukunft schiebt...

 

Ähnlich sehe ich das Problem in der Musik:

 

Das Problem, dass Alben nicht mehr so gehört werden wie vielleicht noch vor zwanzig Jahren, also von vorne bis hinten, Track für Track, Minute für Minute - so wie man ein Buch liest oder einen Film schaut, ist nichts Neues - aber dass viele Leute sich garnicht mal mehr die Zeit nehmen, einen einzelnen Song von Anfang bis Ende anzuhören, trübt mich zumindest in musikalischer Hinsicht traurig. 

 

Alles nahm doch seinen Anfang oder weiteren Verlauf mit dieser ominösen "Anspielfunktion" der neueren CD-Player die kein Mensch braucht - wenn einem da die ersten 10 Sekunden nicht gefallen, wird gleich weiter getrackt und somit viele Perlen der Musikgeschichte einfach sinnlos übersehen.

 

Jedenfalls appeliere ich hier mal an die Geduld, sich für gewisse Songs (und wenn sie auch mal 12 min dauern) Zeit zu nehmen! 

 

Was wäre Stairway To Heaven heute, wenn man schon damals nach den ersten Minuten abgeschaltet hätte, von Freebird ganz zu Schweigen. Dire Straits´ erste Alben sind voll mit derartigen Hymnen, die sich erst im Verlauf entfalten wollen. Heute sind es Diamanten wie Nobody Girl oder The Bar Is A Beautiful Place eines Ryan Adams.

 

Songs, die sich mit spannender Erwartung aufbauen und ihren emotionalen Climax am Ende oder mittendrin haben - darauf eingelassen fühlt man sich befreit, bewegt, entrückt, verzückt - die beste Droge, wie eine Achterbahnfahrt und für´s Seelenheil förderlich!

 

Also liebe Leute, ab vor die Hifi-Anlage!

Mit oder ohne Kopfhörer.

 

(a.j.)

 

 

P.S.: Wenn Ihr auf Songs der obigen Art mal treffen und sie für immer lieb gewinnen solltet, dann gebt mir bitte Bescheid bzw. schreibt es in die Kommentare... Vielleicht machen wir hier auf der Seite auch mal eine Sammlung auf, um sie für die Nachwelt zu sichern! ;)

 

 

Nachtrag vom 13. März 2023:

 

Erst kürzlich habe ich einen Beitrag gehört, wo ein Musikproduzent darüber berichtet hat, daß die meisten Songs, die aktuell produziert werden und im Radio laufen, "Dich" sofort - in den ersten Sekunden - "catchen" müssen. In der ersten Minute wiederholt sich der Refrain (oder die Hook) teilweise bis zu dreimal. Über die Song-Längen brauchen wir nicht mehr zu sprechen!

 

Gleich gespülte, seelenlose Konsum-Musik der "Brave New World".

 

Nein, Danke!!!

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