Aynsley Lister / Greg Koch (Hamburg, 2005)

(Introducing: Sarah Jones)

 

Alte Köche & junges Gemüse

 

 

Aynsley Lister (Tourplakat 2005 - Ruf Records*) Aynsley Lister (Tourplakat 2005 - Ruf Records*)

 

2 Bands, 3 Stunden Nettospielzeit Blues-Jazz-Rock für Euro 13,50 brutto, Erlebnisgarantie inbegriffen!

 

Ich wiederhole (insbesondere für Chris Martin): "3 Stunden, 13,50 Euro !!!"

 

Aber machen wir´s nicht am Preis fest, dass dieser Konzertabend in meiner persönlichen Hitliste (vorbei an Fleetwood Mac) auf Platz 3 katapultiert. Dieser lange, aber alles andere als langweilige Abend zeigte einem gnadenlos und unausweichlich auf, wie völlig überzogen doch so manches schnelle Emporheben von "nur wenigen" sogenannten "Ausnahme"-Gitarristen immer ist.

 

Aynsley Lister, schon lange kein Nachwuchsgitarrist mehr, und Greg Koch - der scheinbar schon im Mutterleib seine durchweg verspielten Griffe einübte - ließen so manch hochgelobten Saitenvirtuosen der alten Zeit (in etwa der scheinbar unantastbaren Riege Claptons, Santanas und Townshend) aus der ehrwürdigen Hall of Fame hinabsteigen, um den Unbekannten ihrer Gilde respektzollend die Hand zu schütteln.

 

Während Aynsley Lister mit seiner konsequenten Art eine frische Mischung aus Rock und Blues darbot und dabei unterstützt wurde durch die (an den Drums impulsive aber sonst, sich in einer "Männerwelt" bewegend, und daher recht verständlich zurückhaltende) 20jährige Sarah Jones und den ebenfalls noch recht jungen (und nun langhaarigen) Bassisten James Townend, erhielt man zu später Stunde im Anschluss eine bedeutende Lehrstunde in "künstlerischem Jammen" bei Greg Koch und seiner ziemlich erwachsen klingenen Band - ferner bestehend aus Extrem-Bassist Roscoe Beck und Jazz & Allround-Drummer John Calarco.

 

 

Zeit für´s Blues-Bufett

 

Stefan und ich schritten also am 12.10.2005 zum ersten Mal ins Landhaus Walter (der Herberge des eingebundenen Downtown Bluesclub im schönen Stadtpark zu Hamburg), begrüßten noch kurz Hamburgs Musik-Urgestein und HH1-Musik-Moderator Kuno Dreysse, der uns freundlicher Weise die Tür (zur Blueswelt) aufhielt, bestaunten die schöne Location (an dessen Wänden alte eingerahmte Bilder der Starclub-Zeit von Hendrix, Beatles und Co. hingen) und schnupperten die äußerst beruhigende Ahmosphäre, die hier gemischt mit Bier, Zigaretten und Ledergeruch in der Luft lag. Das Publikum war wie erwartet ein älteres. An der linksseitigen Bar und an den kleinen Bartischen und Sitzecken in dem leicht versteckten Nebenraum hielt man ein Pläuschchen, während Kuno und seine HH1-Kollegen die Kameras justierten und mit dem einen oder anderen Konzertbesucher einen gepflegten Schnack abhielten.

 

Die Stimmung hatte etwas sehr familiäres und gleichsam bindendes hervorgebracht. Man fühlte sich richtig heimisch, fast zu sagen "wie bei Muttern";- befanden wir uns nunmehr im schützenden Schoße des standfesten und ehrlichen Bluuuuees.

 

Ziemlich pünktlich erschien Kuno Dreysse, der später die ganze Zeit mit seiner Handkamera auf der Bühne das Geschehen für seine etablierte Musiksendung Kuno´s auf HH1 festhalten sollte, dann um 21 Uhr auf der Bühne und kündigte uns den Abend mit einerlei erklärenden Worten an. Dabei wurde uns in seiner typisch hamburgerisch, ruhigen Art die Lineup-Reihenfolge erklärt, die (dem Kuno nach) nichts über das Können der beiden Bands aussagte, sondern lediglich logistisch vom vorherigen Soundcheck-Aufbau herrührte,- Kuno, ein alter Musiker der ersten Stunde auf dem Kiez der 60er, wusste wie man dieses dem Publikum diplomatisch aber auch hanseatisch zu vermitteln hatte.

 

Alsbald war es dann soweit, Aynsley Lister und Band betraten als erstes die Bühne.

 

Aynsley Lister (Pressebild 2004 - Ruf Records*) Aynsley Lister (Pressebild 2004 - Ruf Records*)

 

Meine Erwartungen wurden natürlich plötzlich frühzeitig übertroffen, als ich auch die junge Sarah Jones die Bühne betreten sah,- wurde doch ein männlicher Drummer im Vorfeld angekündigt. Diese junge Jones, mal von der pausbäckigen Erscheinung abgesehen, wusste einem nach der vorherigen Begutachtung der Live-DVD (Aynsley Lister - Live!, 2004) ein ums andere Mal auch musikalisch zu überzeugen. Längst hat man das blöde Vorurteil, ein Mädchen würde dem rockigen Sound eher einen gewaltigen Abbruch tun, abgelegt. Das wurde uns insbesondere deutlich, als die ersten Töne einsetzten, und uns die Drums mit einer derartigen Wucht entgegen preschten, dass Lead-Gitarre und Vocals nahezu untergingen. 

 

Diese Jones, man kann es so festhalten, hat nicht ungleich zu ihren beiden männlichen Kollegen wahrlich "Balls of Steel",- wie es ein Titel, der im Laufe des Abends auch gespielt werden sollte, unmissverständlich ausdrückte. Speziell diesem Song, übrigens mein Lieblingsstück an diesem Abend, wusste sie dann auch ihren imposant lautstarken Stempel aufzudrücken. Es wurde von älteren Männern berichtet, die ihre anfangs skeptisch verschränkten Arme nun in die Höhe rissen und ekstatische Laute von sich gaben! Man könnte das als Anerkennung deuten!

 

Der anfangs missgestimmte Sound wurde aber nach zwei, drei Songs langsam bei allen Instrumenten gleichwertig angepasst, so dass man auch in den vollsten Genuß von Lister´s Gitarrenspiel kam. Die 80minütige Show ähnelte in etwa dem Setup der Live-DVD, nur mit wenigen Ausnahmen wie zum Beispiel dem einer von Lister in diesem Frühjahr (bei schlechtem englischen Wetter komponierten) stillen und akustischen Solonummer names "Rain", die an alte Mark Knopfler Movie-Zeiten erinnerte und dem von Deep Purple bekannten Cover "Hush" (Bonus-Track auf der DVD), bei dem das Publikum auch einmal zum Mitsingen aufgefordert wurde, gab es "live" Neues zu hören.

 

Eindrucksvoll und besonders zu erwähnen, sei jedoch unbedingt noch die kleine Barszene, die uns in der Zugabe erwartete:

 

Anysley Lister stieg plötzlich von der Bühne herunter und schritt, sein Gitarrensolo stets ungehemmt weiterspielend, durch eine nun von uns gebildete Gasse in Richtung Bar. Dort bestellte er sich bei der Bedienung in lässiger Pose ein Bier und spielte während des Zapfens freudig flirtent weiter. Im nächsten Moment wurde dann die Theke als Stage eingenommen. Hoch oben auf dem nassen Holz bespielte Lister unter tobenden Applaus seine Saiten nun mit dem ihm von der Bedienung gereichten Bierglas weiter, trank das kühle Bier in zwei Zügen aus und bahnte sich unter zahlreich auf die Schulter klopfenden Händen den Weg zurück zu seiner Band, die derweilen - während dieser kleinen Showeinlage,- stets im Takt verblieb.

 

Dieses und Szenen, als Lister und Townend in einer rückseitigen Umarmung ihre Instrumente wechselten und im Rollentausch Gitarrist/Bassist spielten, oder aber Aynsley mit der Gitarre auch mal Töne hervorbrachte, die man sonst nur aus seinem Magenbereich kennt und unter Schmerzen stets zu vermeiden versucht, trugen zur lustigen Erheiterung bei.

 

Schnell noch eine Bandvorstellung, bei der die Jones den größten Applaus einfing, ein Verweis auf  den Kollegen Greg Koch, ein Hinweis auf die im Januar 2006 hier im Bluesclub folgende Bluesnight mit Ian Parker und Erja Lyttinen und der erste Teil des Bluesabends ward ein voller Erfolg!

 

 

Der (Chef-)Koch übernimmt jetzt!

 

Eine kurze Umbauphase, bei der sich der korpulentere Greg Koch bereits unter´s Volk mischte und sich harmonisch ausgetauscht wurde, und weiter ging´s mit dem herrlichen Abend, der einen prompt nach Chicago ins legendäre House Of Blues zu versetzen mochte,- besser können die Konzerte dort auch nicht sein!

 

Mit Greg Koch und Band, der übrigens seine Jungs bereits vor dem Gig im einzelnen vorstellte, folgte nun der virtuosere Teil, worauf uns bereits das 15minütige Instrumental vorbereiten sollte. Ich, der Greg Koch zuvor nicht kannte, fragte sich mittendrin schonmal, ob denn überhaupt Gesang zu erwarten war.

 

Aber der Blick auf das Mikro vor dem Munde Koch´s ließ mich hoffen, wenngleich ich mir nicht sicher war, ob es vielleicht nur der kleinen Witzeleien zwischen den Songs und dem Abstimmen mit dem Soundmischer dienen solte. Aber nein, Greg Koch nahm mir diese unnötige "Angst" mit seiner plötzlich erfolgten, tiefen Stimme, die zwar passte, aber nicht so sehr gefiel wie die von seinem aus Texas stammenden Bass-Kollegen "Roscoe" Beck, von dem ich am Abend gerne noch mehr Vocalarbeit gehört hätte. Besänftigt wurde ich aber von seinen zahlreichen, in seiner Länge und Dynamik so zuvor noch nie gehörten Basssoli, die nicht nur ihm den Schweiß von der Stirn tropfen liessen.

 

Auch der Drummer wurde von Koch mit John Calarco gut gewählt. Calarco, der schon mit so einigen Musikgrössen gearbeitet hat, wie man seiner Homepage entnehmen kann, und der mich in seinem Muscleshirt an diesem Abend zumindest optisch ein wenig an den jungen Bruce Springsteen erinnerte, fuchtelte hinter seinen Drums, Becken und Cymbals wie das kleine, kuschelige Monster aus der Muppet-Show,- nur verstand Calarco diese Derwisch-Manier auch in absolut überzeugende Rythmen umzumünzen. Was für´s Auge, aber auch was für die Ohren.

 

Eine derart abgestimmte Band zusammengesetzt aus äußerst mehr als talentierten Einzelmusikern erlebe ich selten und freute mich diesen Abend daher sehr, deren Bekanntschaft zu machen.

 

Zu Greg Koch habe ich noch zu wenig geschrieben. Das hole ich hiermit nun aber ausschmückend nach: dieser grimassenschneidende, etwas kuschelig und plump wirkende Kauz spielte mit seiner Gitarre Phantasiewelten, die nicht in seinem Kopf allein entstanden sein können. Spacige Sounds, schnelle Tonleiter-Aufundabsprünge, fingerbrechende Wirbeleien und alles stets mit Vocalkommentaren oder wechselnden Gesichtszügen untermalt, zeigten auf, dass dieser Mann sein Handwerk verstand. Man hat ja schon viele Gitarrenvirtuosen während der musikalischen Aufholung der 70er Jahre (ich Endzwanziger bin seit einiger Zeit damit beschäftigt) kennengelernt, aber was dieser Koch da mit seinen (wurstigen) Fingern anzustellen wusste, imponierte schon ganzschön. Und das überhaupt Schöne dabei: es klang nicht wirr oder daneben. Jeder Ton saß! Es machte Spaß zuzuhören, ihm zuzuschauen, innerlich - wenngleich utopisch - "mitzuspielen". Ich merkte, dass ich so einiges mehr in diesem Gerne nachzuholen hatte. Ich wundere mich immer wieder nur, dass man solche Musiker immer stets über "Umwege" findet. Die nächsten Käufe seien abschliessend gesagt jedenfalls dem Koch gewidmet.

 

Nun aber genug der ausschweifenden Schwärmereien für Einzelpersonen und zurück zum gesamten Geschehen. Dass die Band insgesamt ihr Handwerk verstand, unterstrich diese auch, als dem Koch in seiner Saitenakrobatik eine oder mehrere Saiten rissen und die beiden Kollegen mit einer kleinen Drum&Bass-Einlage eine unvorbereitete Pause überbrücken mussten ehe der Großmeister wieder mit einer neu-gespannten Gitarre mit einstieg, um sein "krankes" Solo zu beenden.

 

Neben dem Rock, gab der Jazz diesen Abend den Ton an. Was dem (mich begleitenden) Stefan zu sehr ausartete, gefiel mir seltsamer Weise sehr gut. Beeindruckend waren auch die sehr eigenwilligen Coverversionen u.a. von Johnny Cash´s "Folsome Prison Blues" und den Rock-Samples von "Stairway To Heaven" oder aus dem Hendrix-Repertoire. "Stairway To Heaven" hätte von Led Zeppelin dabei auch nicht besser klingen können;- Greg Koch und Band entpuppten sich somit auch als geniale Coverband. Was können die eigentlich nicht? Vielleicht nach einer Choreographie tanzen?! Ach, auch das würden sie mit nur wenig Übung hinkriegen und mit Stolz und Spaß präsentieren! Schlecht Musizieren ist jedenfalls nicht ihr Ding, soviel steht fest!

 

Zum Ende hin (Konzertschluss war Mittwoch-Nacht gegen 00.20 Uhr!) sah man dann auch die (in der Blueswelt mehr als aufgenommene) Sarah Jones rechts am Rand inmitten des Publikums stehen und interessiert der vom Publikum gefeierten Bühnen-Kunst der Greg Koch Band zusehen!

 

 

Fazit:

 

Ein Abend der Spaß machte, ein Abend der überzeugte, ein Abend der neue Seiten und auch bisher unbekannte Saiten kennenlernen und einen seinen Horizont in musikalischer Hinsicht erweitern ließ. Meine Empfehlung an Lister und den Koch! Man stellt sich nun die Frage, ob man denn auch all die schöne Musik kaufen kann, die es dort draußen noch auf der Welt zu entdecken gibt?! Man kann nicht! Aber es gibt immer wieder feine Hilfestellungen, die Spreu vom Weizen zu trennen und in das Richtige zu investieren. Der Downtown Bluesclub erweist sich als bester Helfer in dieser Lebenslage!

 

(a.j.)

 

*Fotos mit freundlicher Genehmigung durch Katrin Haase, Ruf Records GmbH

 

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