Dream Theater (Stadtpark, Hamburg - 14. Juli 2025)

Dream Theater Hamburg 2025 Es gibt noch Hoffnung für die Jugend!

40-jähriger Fiebertraum?!?

 

Bei Dream Theater streiten sich (insbesondere in meinem privaten Umfeld von Metal-Liebhabern) die Geister. Entweder man kann mit der Musik so gar nichts anfangen, oder man liebt sie. Dann gibt es noch mich, der mal wieder irgendwo dazwischen liegt.

 

Ich vermeide ja Jazz; liebe aber progressive Musik! Was stimmt mit mir eigentlich nicht?

 

Progressive Musik steht – ähnlich wie Jazz - für kreative Ausschweifungen jenseits des Mainstreams. Sie ist sehr verspielt, eher liberal, immer suchend, recht verpeilt und grenzenlos. Meine persönliche Schmerzgrenze ist jedoch oft erreicht, wenn am Beispiel Dream Theater Keyboarder Jordan Rudess immer „seine 5 Minuten“ bekommt. Dazu später aber noch ein Gedanke, der sich nach dem Konzert etwas gewandelt hat…

 

Dream Theater Hamburg 2025 Dream Theater Hamburg 2025

 

"Sometimes you can judge bands by their album-covers!"

 

Damals, na so Anfang der 90er, gab es noch diese großen, besser sortierten Musikabteilungen in Kaufhäusern (in meinem Fall in Hamburg u.a. bei Schaulandt in Wandsbek; wer es kennt), zu denen wir Jugendliche mit unserem Ersparten immer mit dem Rad hin sind, um sich dort für Neuerwerbungen zu treffen – oder man war allein los.

 

Dort haben wir nun Stunden damit verbracht, neue Musik zu finden, diese an der „Sound-Bar“ probezuhören und dabei die Covers der Alben zu analysieren. Dabei verhielt es sich ähnlich wie mit Fantasy- und Horror-Büchern in den entsprechenden Abteilungen – die Covers waren es letztendlich, die uns (auch oft in die Falle) lockten! Die kreativen Illustrationen auf den Metal-Alben jener Zeit fielen mir dabei immer besonders ins Auge. Iron Maiden und Manowar lieferten bspw. immer grandiose Arbeiten - hinter den schönen Bildern steckte auch gute Musik!

 

Dream Theater begleiteten mich die gesamten 90er über immer eigentlich NUR mit ihrem Artwork. An ihre Musik hatte ich mich nie heran getraut. Rock und Metal musste für mich immer gradlinig daher kommen, einem Schema folgen. Durfte schon auch mal wehtun, aber bitte keine chronischen Schmerzen hinterlassen. Metallica oder Manowar boten da mit ihren 7-Minuten-Stücken schon das Höchste an erträglicher Abschweifung.

 

Porcupine Tree und Opeth ebneten mir dann so etwa ab 2010 die ersten Wege ins Progressive. Dream Theater habe ich dabei auch für mich „neu“ entdeckt und dann lieben (etappenweise aber auch ertragen) gelernt. Es war und bleibt stets Musik, die ich allein und nicht mit meinen Freunden gemeinsam hören kann. ... Da hier keiner mitliest, kann ich mal an dieser Stelle frech behaupten, dass sie in ihrer Entwicklung stehen geblieben oder einfach nur zu doof für diese Art von Musik sind!

 

**DAS WAR EIN SCHERZ!!!**

 

Sollte ich für diese plumpe Provokation von ihnen irgendwann mal ein Feedback, eins auf die Schnauze bekommen oder mir mit Rauswurf aus unserer kleinen Metal-Gruppe bei Whatsapp gedroht werden, war das doch mal ein guter Response-Test ;)

 

Dream Theater Hamburg 2025 Dream Theater Hamburg 2025

 

„Die wollen doch nur spielen!“

 

Dass ich in Sachen Dream Theater unglaublich viel Material aufzuholen hatte (ich liebe das ja; als binge man alte Serien am Stück), machte auch das Intro eingangs des Konzerts deutlich. Um 19 Uhr startete die illustrierte, mit Musik vom Band orchestrierte Show, bei der die Diskographie auf den drei kleinen Leinwänden abgebildet wurde. Bei dem einen oder anderen Album - das mit Samples angespielt wurde - gab es auch mal frenetischen Applaus aus den Reihen.

 

40 Jahre (16 Studioalben) gab es dabei an diesem Abend  insgesamt zu feiern, ebenso wie die Rückkehr von Gründungsmitglied und Ausnahme-Drummer Mike Portnoy, der an diesem Abend irgendwie als Superstar unter den Stars wirkte.

 

"Mit Night Terror vom aktuellen Album Parasomnia (2025) nahm die 150-minütige Show (aufgeteilt in zwei Blöcke mit etwa 15 Minuten Unterbrechung zum nötigen Durchschnaufen für alle) ihren Anfang; mit Pull Me Under vom zweiten Album Images And Words (1992) als Zugabe ihr Ende." 

 

So kurz und knapp könnte dieser Bericht ausfallen; aber das wäre ja ein Hohn für diese Band!

 

Die virtuosen Dream Theater spielte sich und die Zuschauer (vielmehr Zuhörer!) an diesem Abend in einen absoluten Rausch. Was für neue Hörer wie eine spielfreudige (vielleicht auch ausartende) Jamsession gewirkt haben könnte, ist das Ergebnis jahrelanger Einspielung - nahezu hin zur Perfektion; der es aber nie an anhaltender Kreativität mangelt!

 

Die eine oder andere Passage unterschied sich in der Umsetzung zu den Studio-Versionen manchmal; man fand auch Neues – haben sich die Ohren doch schon so sehr eingeschossen auf die auf Vinyl und CDs kondensierten Versionen.

 

Dream Theater Hamburg 2025 Dream Theater Hamburg 2025

 

Die einzelnen Instrumente waren recht ordentlich zu vernehmen. Vom Bass und den Drums kam auch – trotz Lautstärken-Regelung im Stadtpark und recht kleiner Boxen - sogar  hinten mittig, vor dem Technik-Turm – wo ich stand - noch genug Druck an! Die Soundkulisse wurde der Band nicht ganz gerecht, machte aber das Beste daraus.

 

Von den Seiten gab es ein paar kritischere Stimmen. Aber wer stellt sich bei Dream Theater auch an den Rand? Da gilt es doch, in Stereo zu genießen! Ich war natürlich froh, dass sich nicht alles in der Mitte konzentrierte, sonst hätte man sich mit knapp 3000 Besuchern in einer Linie irgendwie übereinander stapeln müssen.

 

Einzig der Gesang von James LaBrie war an der einen oder anderen Stelle etwas über dem Peak; was jedoch nicht überbewertet werden darf, da sowohl Alter als auch Spielzeit an den Bändern schon mal nagen dürfen.

 

Am genussvollsten für mich persönlich war es immer dann, wenn die instrumentalen Passagen Vorrang hatten. LaBrie flitzte - anscheinend mit Kilometer-Geld vertraglich beglückt - in diesen Momenten auch immer hinter die Bühne, um den Musikern hierfür (auch optisch) genug Raum zu lassen. Andere Sänger hätten sich an dieser Stelle sicherlich mehr hervor getan und die Blicke auf sich und ihre „Hampeleien“ während der Gesangspausen gelenkt. LaBrie fand da eine angenehme Mischung!

 

Wie perfekt eingespielt die Band ist, zeigte u.a. der kleine Moment, als bei dem Song Barstool Warrior der vollbärtige John Petrucci während eines - die Tonleiter komplett abbildenden - Solos eine Saite riss. Während er kurz die Gitarre tauschte, überbrückten die anderen Bandmitglieder die Passage kurzerhand mit ihren Instrumenten. Nur Puristen dürfte etwas aufgefallen sein oder gefehlt haben. Von Sänger LaBrie gab es sogar einen kleinen aufmunternden Klapps auf Petruccis Schulter als dieser wieder mit an Bord war und nahtlos einstieg.

 

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Jordan Rudess mit seiner buchstäblich "drehenden Orgel" war an diesem Abend nicht zu vordergründig und fügte sich gut in das Sound-Gewand; live wirkte er für mich nicht so störend wie in den Studioversionen (das eine oder andere Mal erwischte ich mich da schon sehr oft beim Skippen).

 

Portnoy (mit blau gefärbtem Bart) spielte im Sitzen wie im Stehen, agierte mit dem Publikum, jonglierte mit den Sticks, übernahm hier und da auch Backing-Vocals. Bei dem fast schon funkigen Stück The Dark Eternal Night sang er LaBrie begleitend den dunkel-kratzigen Part. Auch er nahm sich hinter dem großen Drumset (u.a. drei mit dem alten Majesty-Logo und der römischen Zahl 40 versehenen Bass-Trommeln - sind das 40 Sterne am Rand?) Auszeiten, wenn sich Petrucci und Rudess „duellierten“.

 

Myung am Bass war präsent, visuell weniger auffällig; sorgte aber stets für die nötige Basis, für Rhythmus und Spur. Er war quasi die verlässliche Roadmap der Band.

 

Dies schreibt man so in etwa ja immer über die "unscheinbaren" Bassisten ;)

 

Wenn die Stücke von Dream Theater nach meinem Geschmack zu sehr ins „Zirkus-artige“ übergehen, kämpft etwas in mir immer ein wenig dagegen an – wie Antiobiotika. An diesem Live-Abend konnte ich alles jedoch aufsaugen, mich physisch und mental wirklich gut darauf einlassen.

 

Gute Live-Musik macht oft den Unterschied!

 

Dream Theater Hamburg 2025 Dream Theater Hamburg 2025

 

Die Setlist mischte sich gut aus langen Stücken (u.a. vom Konzeptalbum Metropolis Pt. 2: Scenes from a Memory aus dem Jahr 1999), einigen neuen Stücken des aktuellen Albums Parasomina, hier und da aus Balladen oder balladigen Versatzstücken (The Spirit Carries On) und sogar Songs die Mike Mangini damals noch an den Drums eingespielt hat (The Enemy Inside). Hommagen an andere Bands wie Metallica oder natürlich Pink Floyd gab es auch mit einigen Samples.

 

Das Bühnenbild mit zu den Songs gut abgestimmten Illustrationen (statt lediglich Musikvideos im Hintergrund ablaufen zu lassen) unterstützte die fantastischen Gefühlswelten. Wenn man die Augen schloss, konnte man sich aber auch eigene Bilder schaffen. Noch so ein Aspekt progressiver Musik.

 

Bei Count Of Tuscany bekamen wir bspw. Landschaften der Toskana zu sehen, alte Schlösser mit Gemälden und Kronleuchtern und manchmal auch düsteren Ecken aus jener Zeit, passend zu den jeweiligen Stimmungen der Song-Abschnitte.

 

Bei progressiver Musik scheint es tatsächlich so, als höre man „in Farben und Formen“ – so geht es mir bei Bands wie Dream Theater jedenfalls. Da darf gerne auch mal nicht alles harmonisch sein. Dieses Nicht-immer-Greifbare macht es ja gerade aus in diesem Genre! Auch hier muss man mental in Stimmung dafür sein und ein wenig mitarbeiten. Nichts für Konsumenten!

 

Dream Theater Hamburg 2025 Dream Theater Hamburg 2025

 

Das Publikum schien überwiegend im erfahrenen Alter jenseits der 50 und im Thema gewesen zu sein. Ein paar Jüngere mischten sich aber auch darunter, was mir wieder Hoffnung für unsere Zukunft spendet.

 

Die meisten Besucher lauschten dem perfekten Spiel andächtig und innerlich feiernd, andere klatschten animiert durch LaBrie mit oder schwangen die Arme von Seite zu Seite. In Teilen wurde auch mitgesungen; alles konnte nichts musste, aber durfte!

 

Die balladesken Passagen, die mir beim Hören von Dream Theater sonst immer als Erholung dienen, waren nun ein Teil des Ganzen und fühlten sich nicht mehr so abgenabelt an. Ein Guss!

 

Ich höre die Studioversionen nach diesem Konzert nun auch erfahrener und nehme sie andersartig, viel detaillierter wahr und achte mehr auf Nuancen.

 

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Fazit

 

Wie gut diese Musiker sind, erfährt man tatsächlich erst, wenn man sie mal live erleben durfte. Sie verstehen ihr Handwerk!

 

Nur anhand der Studio-Alben bewertend kamen mir Dream Theater zwar schon immer kraftvoll (wie etwa Genre-Primus Metallica) und tiefsinnig, ergreifend und kreativ (wie etwa Tool) vor. Sie hatten dabei aber nie wirklich eine klare Linie, verloren sich oftmals zu sehr in eine "musikalische Gaukelei", wurden dabei theatralisch und manchmal auch etwas nervig für mich.

 

Diesen für mich oft diffusen Eindruck habe ich nach dem Konzert ordentlich revidieren können. Dieses Abdriften ist wahre Spielkunst und unverwechselbar! Sie spielen es so, weil sie es können. Sie sind dazu berufen, so zu spielen!

 

Ich persönlich weiß Dream Theaters Musik auf den Alben nun noch mehr zu schätzen, benötige kein "inneres Antibiotika" mehr beim Hören und hoffe auf viel weiteren handgemachten Output…

 

KI macht mir keine Angst mehr, solang es Musiker wie sie gibt…

 

Die beiden jungfräulichen Nachwuchs-Fans vor mir (in ihren wahrscheinlich frisch vor dem Gig gekauften - da noch knittrigen - Shirts), die das Konzert über miteinander permanent Blicke und Gefühlsregungen austauschten, umarmten sich nach dem Konzert und feierten das Leben. Das Konzert dürfte für sie aber auch für mich in langer Erinnerung bleiben…

 

(a.j.)

 

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Band

 

Gesang: James LaBrie (seit 1991)

Gitarre, Gesang: John Petrucci (seit 1985)

E-Bass, Chapman Stick: John Myung (seit 1985)

Keyboard: Jordan Rudess (seit 1999)

Schlagzeug: Mike Portnoy (seit 1985 bis 2010, seit 2023)

 

 

Setlist (ohne Gewähr)

 

Prelude (Bernard Herrmann Song)

Orchestral Overture (containing excerpts of every Dream Theater album)

 

Act I

 

Night Terror

Act I: Scene Two: II. Strange Déjà Vu

Act I: Scene Three: I. Through My Words

Act I: Scene Three: II. Fatal Tragedy

Panic Attack

Barstool Warrior

Hollow Years ('96 demo version)

Take the Time (abrigded version)

 

Act II

 

As I Am

The Enemy Inside

Midnight Messiah

The Dark Eternal Night

Peruvian Skies (with excerpts of "Wish You Were Here" and "Wherever I May Roam")

The Count of Tuscany

 

Encore

 

Act II: Scene Eight: The Spirit Carries On

Pull Me Under

 

Singin' in the Rain (Arthur Freed & Nacio Herb Brown song) vom Band

 

Quelle: https://www.setlist.fm/setlist/dream-theater/2025/stadtpark-freilichtbuhne-hamburg-germany-43500f5f.html

 

 

Auf einen fabelhaften, auf den Punkt gebrachten Konzertbericht aus Hannover (11. Juli) möchte ich an dieser Stelle noch hinweisen – ich könnte das dort über die Darbietung der Band Geschriebene vollends auf mein Empfinden in Hamburg übertragen:

 

https://www.norush-webzine.com/post/konzertbericht-dream-theater-40th-anniversary-tour-2024-2025

 

 

Ward Ihr auch bei dem Konzert? Dann lasst uns gerne Eure Eindrücke wissen und schreibt etwas im Kommentar-Bereich - wir würden uns freuen!

 

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